Stealth-Technologien und cultural hacking für die nächste Universität

Mit dieser Verkleidung ihres Arbeitsgeräts können sich Digital Natives und andere in der Universität der Buchkultur Deplatzierte perfekt tarnen. „Mimesis“ ist der biologische Fachbegriff für diese Form der Anpassung eines Lebewesens an seine Umwelt. Stabheuschrecken sehen aus wie trockene Äste, Zahnspinner imitieren die Rinde bestimmter Laubbäume und Gespenstschrecken werden von optisch orientierten Fressfeinden für grüne Blätter gehalten. Die Tiere ahmen Gestalt, Farbe, Haltung eines Teils ihres Lebensraumes nach, sodass potentielle Feinde sie nicht mehr von der Umgebung unterscheiden können oder für uninteressant halten. Sie fallen nicht auf. Daraus ergibt sich in der Regel ein Überlebensvorteil.
Auch Menschen ahmen in der Form sozialer Mimesis „Gestalt“, „Farbe“, „Haltung“ (und die entsprechenden Äquivalente) von Teilen ihres Lebensraumes nach. Das ist wesentlicher Bestandteil des Vorgangs, den man „Sozialisation“ nennt. In der sozialen Umwelt Universität scheint es manchmal noch ein Überlebensvorteil, wenn man „echte“ Bücher mit sich herumträgt anstelle von Note-, Mac- oder Webbooks. Die hier verwendete Stealth-Technologie scheint mir in diesem Kontext allerdings eher eine Art cultural hacking der Hochschulkultur (das man allerdings auch als „mimetisches Prozessieren“ verstehen kann).

„In mimetischen Prozessen gleicht sich der Mensch der Welt an“, heißt es bei Gebauer/Wulf auf S. 11. (Gebauer, Gunter; Wulf, Christoph: Mimesis. Kultur – Kunst – Gesellschaft, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2. Aufl. 1998) Mimesis ermöglicht es ihm, die Außenwelt in die Innenwelt hineinzuholen und die Innenwelt auszudrücken. Mimesis hat insofern also auch eine interaktive Komponente. In diesem Sinn gleicht sich auch ein Cultural Hacker den Codestrukturen an, mit denen er sich auseinandersetzt. Er holt diesen Code als Außenwelt in seine Innenwelt und drückt diese Innenwelt wiederum in jene Codestrukturen heraus. Cultural Hacking kann in diesem Sinne als eine zwar besondere, vielleicht radikale, vielleicht aber einfach nur interaktive Angleichung an und Aneignung von Kultur verstanden werden.

Beim Hacken geht es um die spielerische und explorative Erkundung eines fremden (Computer-)Systems, um sich – wie Liebl u.a. in Anlehnung an Raymonds „New Hacker’s Dictionary“ schreiben – „darin zurechtzufinden“ (Düllo, Thomas; Liebl, Franz (Hg.): Cultural Hacking. Kunst des strategischen Handelns, Wien/New York: Springer 2005, S. 28). Es geht also beim hacking auch um Orientierung, nicht nur um Desorientierung. Es geht zwar um Umcodierung, aber damit auch um Re-Orientierung. Es geht also genau um das, was man von jeder guten Sozialisation erwartet. – Jedenfalls, wenn das Medium der Sozialisation als etwas Veränderliches gedacht, wenn also kulturelle Innovation schon einkalkuliert ist.

In diesem Sinn könnte diese MacBook-Tasche ein kleiner Beitrag zur kulturellen Innovation auf dem Weg zur nächsten Universität sein … 😉