Was ist ein ArtEduCamp?

Ein BarCamp ist eine Konferenz. Eine Unkonferenz, eine Konferenz, die keine ist, aber weiß, dass es solche auch gibt. Beide Veranstaltungsformate sind Plattformen für den kollektiven Umgang mit Wissen. Das BarCamp ist eine im Vergleich sehr offene Form, sowohl bezogen auf den Teilnehmerkreis als auch bezogen auf die zu verhandelnden Themen. Programm und Inhalte werden von den Teilnehmern selber im Verlauf und abhängig von diesem Verlauf entwickelt. Ein BarCamp dient – anders als andere Tagungsformen – nicht hauptsächlich der Verteilung von Wissen, das schon feststeht, sondern fördert durch entsprechende Diskursformen die Produktion und Weiterentwicklung von neuem Wissen.

Diskursformen
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(Vilem Flusser: Vorlesungen zur Kommunikologie, S. 21ff)

Im Kreisdialog werden bestehende Informationen zu neuen Informationen synthetisiert. Im Dialog werden unter den hinsichtlich Vorwissen, Kompetenzen und Perspektive heterogenen Teilnehmern Bedeutungen ausgehandelt und nach gemeinsamen Nennern für zu lösende Probleme gesucht. Es entsteht neues Wissen.
Auch der Netzdialog spielt eine wesentliche Rolle. Es ist die archaische und basisdemokratische Form der Kommunikation: Klatsch, Tratsch, Flurfunk, Schulhof, Gerüchteküche und Internet sind typische Beispiele. Gemeinsam ist ihnen, dass jeder Beteiligte als Knotenpunkt im Netz ein potentieller Sender ist. Der Dialog kann sich ohne Einschränkungen und Regeln in alle Richtungen ausbreiten. Durch Zerstreuung und äußere Einflüsse kann bestehende Information transformiert und dadurch neue Information geschaffen.
BarCamps nutzen diese Effekte, indem intensiver Gebrauch von social media tools gemacht, Twitterwalls u.ä. als zusätzliche Kommunikationskanäle geöffnet werden und dem Socialising am Bistrotisch und in der Recreationarea besonderer Wert zugemessen wird.

Partizipation
Die Zeit für ernst gemeinte Theaterdiskurse, die das vermeintlich gesicherte Wissen im Modus one-to-many verteilen wollen, ist abgelaufen. Das funktioniert nicht mehr. Das hat z.B. der Eklat um den letzten Bundeskongresse der Kunstpädagogik gezeigt. Wir bewegen uns im Horizont und Kontext einer digital vernetzten Weltgesellschaft. Wir müssen uns orientieren an den Prinzipien des ins real life gestülpten Cyberspace: der Verbindung aller mit allen, der Schaffung virtueller Gemeinschaften, der kollektiven Intelligenz und der Medialisiserung radikaler Basisdemokratie.
BarCamp-artige Veranstaltungsformen scheinen die diesem Hintergrund angemessenen zu sein. Sie halten sich nicht mit der „Altgier“ und den unangebrachten Machtspielchen der Expertokratie auf, sondern setzen breit auf Partizipation.

ArtEduCamp?
Es liegt nahe, über BarCamp-artige Veranstaltungen im Rahmen des Gesamtprozesses, der den nächsten Bundeskongress buko12 bildet, nachzudenken. Was könnte ein ArtEduCamp sein? Was wären Themen, was konkrete Formen? Wer würde kommen? Wer würde sich wie beteiligen?
BarCamps befassen sich oft mit Gegenständen im Dunstkreis aktueller Medientechnologien. Das erklärt sich aus der Geschichte des Begriffs, muss aber eigentlich nicht so sein. Das Veranstaltungsformat hat unabhängig von konkreten Inhalten der BarCamps offensichtliche Ähnlichkeit mit der Open Space Methode, die thematisch nicht festgelegt und evtl. im Schulkontext hier und da schon weiter verbreitet ist. Insofern müsste sich ein ArtEduCamp thematisch nicht unbedingt an der Tradition der BarCamps orientieren.
Möglicherweise liegt das aber dennoch nahe? Das ist eine wirklich offene Frage. Es könnte sein, dass sich von dem Format eher jüngere Generationen angesprochen fühlen: Studierende, Referendare, wiss. Nachwuchs. Und es könnte sein, dass diese Generation mit aktuellen Medientechnologien relativ selbstverständlich umgeht und deshalb evtl ein Bedürfnis hat, gemeinsam darüber nachzudenken, warum die Bildungsinstitutionen von Schule bis Universität und Kunsthochschule offenbar keinen so selbstverständlichen Umgang mit den aktuellen Medientechnologien pflegen. Das könnte sein. Es könnte aber auch anders sein. Dazu würden mich Feedback und Kommentare sehr interessieren.

EduCamp
Zur Orientierung ein Blick auf die thematische Nachbarschaft (Dank an Ralf Appelt für die Textvorlage, aus der hier bzgl. EduCamp kopiert wurde): Ein EduCamp ist eine Unkonferenz mit Schwerpunkt auf pädagogische und erziehungswissenschaftliche Fragestellungen – meist (wie eben geschildert) mit Fokus auf den Bereich Medien & Bildung. Wie oben dargestellt werden die Inhalte des EduCamps nicht von den Organisatoren bestimmt, sondern von den Teilnehmern selber gestaltet. Dies können Workshops, Vorträge, Diskussionsrunden etc. sein. Es geht darum, gemeinsam an interessanten Themen zu arbeiten.
Teilnehmer sind Wissenschaftler aus verschiedenen Bereichen, Praktiker aus der Schule oder außerschulischen Bildungseinrichtungen, Erwachsenenbildner, Studierende und auch Vertreter kommerzieller Bildungsanbieter.

Praxis: Session anbieten
Teilnehmer die eine Session leiten möchten, stellen das Thema am Morgen kurz vor, per Aufzeigen wird die Zahl der Interessenten ermittelt und ein passender Raum zugewiesen. Es laufen immer so viele Sessions gleichzeitig wie Räume zur Verfügung stehen. Die Sessions sind in der Regel 45 Minuten lang, anschliessend ist 15 min. Pause, um etwas zu trinken, den Raum zu wechseln, … . Es ist möglich einen zweiten Slot zu belegen. Alle Teilnehmer sind gehalten, die Sessions aufzuzeichen, darüber zu bloggen oder in einer sonstigen Form der Allgemeinheit zugänglich zu machen, z.B. hier.
Es sollte nicht als unhöflich empfunden werden, wenn die Teilnehmer wärend der Session rausgehen. Oft wird erst in der Session klar, ob das Niveau und der Inhalt zum Bedarf der Teilnehmer passt.

Zu weiteren Inspiration und Imagination empfiehlt sich ein Blick auf die Dokumentation des 5. EduCamps in Hamburg, Februar 2010. Dort z.B. auch ein Beispiel für eine Sessionplanung.

ToDo
Und nun konkret: Ist ein ArtEduCamp vorstellbar? Ist es sinnvoll? Wer kommt? Wer mag sich in die Organisation mit einmischen? Fühlen sich Studierende, Referendare, Nachwuchswissenschaftler angesprochen? Wer noch? Was werden die Themen sein? Wo und wie wird gecamped? Wäre Köln interessant?
Ich bitte um Beteiligung via Kommentarfunktion!!

Abspann: The Rules of BarCamp
* 1st Rule: You do talk about BarCamp.
* 2nd Rule: You do blog about BarCamp.
* 3rd Rule: If you want to present, you must write your topic and name in a presentation slot.
* 4th Rule: Only three word intros.
* 5th Rule: As many presentations at a time as facilities allow for.
* 6th Rule: No pre-scheduled presentations, no tourists.
* 7th Rule: Presentations will go on as long as they have to or until they run into another presentation slot.
* 8th Rule: If this is your first time at BarCamp, you HAVE to present. (Ok, you don’t really HAVE to, but try to find someone to present with, or at least ask questions and be an interactive participant.)

by Tantek Çelik as parodied from The Rules of Fight Club.