Interview zum Selbstverständnis Hochschullehrer

ralfa & Co hatten mir anlässlich des Wechsels nach Köln ein paar Fragen im Rückblick auf Hamburg gestellt. Die Antworten sind im Kommentierten Vorlesungsverzeichnis des *mms der Uni Hamburg veröffentlicht. (Vielen Dank auch, ralfa&co, für den netten Nachruf dort!!)

  • Was möchten Sie der Fakultät mit auf den Weg geben?
  • Was war das Wichtigste/Wertvollste, das Sie hier gelernt haben?
  • Was war Ihre nachhaltigste Erfahrung?
  • Was würden Sie sich für die Fakultät wünschen, was sollte beibehalten und was sollte geändert werden?
  • Welche Frage stellen Sie mit Vorliebe an ihre Studenten? Und was wäre Ihre Antwort darauf?

Was möchten Sie der Fakultät mit auf den Weg geben?
Als ich Ende 2009 die Fakultät verlassen habe, war die EPB Fackelträger in Bezug auf die (sinnvolle) Integration aktueller Medientechnologie in die Hochschullehre. Der Vizepräsident für Lehre der Universität Hamburg, Holger Fischer, hielt den Vorsprung gegenüber den anderen Fakultäten der UHH gar mehrfach für “uneinholbar”. Auch überregional ist die EPB für ihre innovative Seite hier weit bekannt und geschätzt. Ich habe aber den Verdacht, dass das im Haus selbst gar nicht so ganz gut bekannt ist. Deshalb: Ich möchte der Fakultät raten, dieses Pfund nicht zu verspielen. Vielmehr sollte man weiterhin damit wuchern. Das Thema wird immer relevanter. Und es wird übrigens in Kürze auch im Bereich der allgemeinbildenden Schulen sehr wesentlich. Und gerade dort ist noch sehr viel Entwicklungsarbeit und entsprechende Begleitforschung zu machen. Die Fakultät könnte von ihrem Vorsprung hier ganz enorm profitieren.

Was war das Wichtigste/Wertvollste, das Sie hier gelernt haben?
Ich habe vor allem den Wert wirklich ernst gemeinter Kooperation mit Studierenden kennen und schätzen gelernt. Wenn man in wirklich relevanten Projekten mit Bezug zum “echten Leben” mit interessierten Studierenden zusammenarbeitet, profitieren beide Seiten ganz erheblich. Studierende haben sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten für das erworbene Wissen und geben den Projekten durch ihre speziellen Perspektiven die nötigen Innovationspotentiale. Alle Projekte des *mms – eigentlich das *mms als Gesamtprojekt – haben durch die Verknüpfung mit der Lehre und die Mitarbeit der Studierenden funktioniert. An meiner neuen Wirkungsstätte versuche ich das genauso erneut in Gang zu bringen.

Was war Ihre nachhaltigste Erfahrung?
Das nachhaltigste Erlebnis (also nicht wirklich eine Erfahrung) hatte ich quasi kurz bevor ich an die Fakultät bzw. den damaligen Fachbereich Erziehungswissenschaft kam. Ich hatte mein Erststudium an einer anderen, kleinen Universität absolviert, die wenige Jahre zuvor noch “pädagogische Hochschule” hieß und sehr von der alleinigen Aufgabe, Lehrer auszubilden, geprägt war. Nach der letzten mündlichen Prüfung, mit der ich das Studium abschloss, fragte mich der Prüfer, was ich denn nun, nach Abschluss des Studiums, vorhabe. Ob ich sofort in die Schule gehen würde oder vielleicht nochmal an einer – wie er sich ausdrückte – “richtigen Universität” studieren wollen würde. Diese Frage gab den Anstoß für ein zweites Studium mit anschließender Promotion und damit letztlich zu meiner jetzigen Berufstätigkeit als Professor. Als “richtige Universität” suchte ich mir damals die Universität Hamburg aus. (Übrigens wechselte der Prüfer auch gerade an eine “richtige”, und nicht ganz zufällig die gleiche Universität, an der er immer noch lehrt: Karl-Josef Pazzini)

Was würden Sie sich für die Fakultät wünschen, was sollte beibehalten und was sollte geändert werden?
Für die Fakultät EPB würde ich mir wünschen, dass sie Teil einer solchen “richtigen Universität” bleibt und sich selbst auch so versteht. Damit meine ich vor allem das Selbstverständnis bzgl. Wissenschaft. Auch wenn ein wesentliches so genanntes “Kerngeschäft” der Fakultät die Berufsausbildung von Lehrern ist, die man vermutlich viel pragmatischer und vermeintlich zielführender angehen könnte, als das eine “richtige Universität” mit ihren gedanklichen Tiefgründen und forschenden Ablenkungen tut, sollte man dieses Selbstverständnis der “richtigen Universität” – mit Derrida könnte man sie auch die “unbedingte Universität” nennen – weiter hegen und pflegen. Davon profitiert dann letztlich auch die Lehrerbildung.
Allerdings sollte dieses Selbstverständnis auch weiterentwickelt werden. Die Rahmenbedingungen, die geschäftsführende Medientechnologien haben sich gegenüber der Buchdruck-Universität wesentlich verändert. Es geht deshalb auch darum, die – wie Dirk Baecker sagt – “nächste Universität” zu entwickeln, eine Universität, die den Herausforderungen durch die Computergesellschaft angemessen ist – und zwar in der Tradition dieser “richtigen Universität”.

Welche Frage stellen Sie mit Vorliebe an ihre Studenten? Und was wäre Ihre Antwort darauf?
Ich frage die (Lehramts-) Studierenden gern, ob sie sich des eigenen Wirkungshorizonts bewusst sind. Wenn ein jetzt 22-jähriger Student in ein paar Jahren Examen macht und mit 27 Jahren in den Schuldienst geht, dann wird er schätzungsweise 40 Jahre dort tätig sein und in seinem letzten Dienstjahr – das wäre dann 2055 – immer noch 10-jährige Schüler auf deren Zukünfte vorbereiten. Das soll dann im Leben dieser Schüler – 2045 geboren, Lebenserwartung vielleicht bis 2130 – noch funktionieren. Also: welchen Herausforderungen wird sich ein Mensch im Jahr 2075 oder 2100 stellen müssen? Welche Kompetenzen wird er oder sie brauchen? Von welchen Schulerfahrungen noch profitieren können? Usw. – etwas drastisch und überdramatisiert vielleicht, aber es macht das Problem deutlich: Für die Vorstellung vom zukünftigen Berufsfeld “Lehrer”, sollte man nicht nur die eigenen Erfahrungen der jetzt existierenden Schule aus der Perspektive “Schüler” vor Augen haben.
– Ach so, und die Antwort darauf: … Ja, jaaaaa, hmmmmm, ja … hm … ja, JA!

(Volltext siehe http://blogs.epb.uni-hamburg.de/mms/2010/03/26/da-geht-noch-was-…/)